It was the best of times/ it was the worst of times, wie eigentlich jedes Jahr, nur das die Pegel für mich persönlich etwas weiter ausschlugen als sonst. Privat war das vor allem geprägt von der Geburt meines Sohns Aaron, sowas konnte bislang kein Jahr in irgendeiner Weise toppen. Aber auch unser Seegrundstück hatte für einen Sommer gesorgt der seinesgleichen sucht, in Kombination einfach unschlagbar. The worst of times war dann, als ich 6 Wochen nach der Geburt meine Kündigung bei WPP im Mailbriefkasten hatte. Innerhalb von 2 Wochen sollte im September Ende im Gelände sein und ausgerechnet der Chef hatte als einziger nichtmal mitbekommen das ich Vater geworden bin, aber auch der Hinweis darauf half nix und so war Schluß für mich als Experte für Dubstep und Bassmusik im Bezahlmusiksystem. Klassisches Freelancerschicksal: mit Versprechen auf mehr das Knowhow zum Specialpreis abgegeben und in dem Moment, wo alles steht, leider, leider kein Geld für Freelancer mehr da. Seitdem mal wieder auf der Suche nach einer neuen beruflichen Tätigkeit und ich sage euch das ist kein Spaß!
Vom DJ Standpunkt aus sah das Jahr wiederum ganz gut aus, es hätten zwar ein paar mehr Gigs sein können, aber dafür waren die meisten wenigstens keine Enttäuschung. Krönung waren natürlich die Tage in Südkorea, aber auch da lag neben dem Licht der dort verbrachten Tage, der Schatten der verkorksten Hinreise.
Ich hoffe in 2011 wird’s wieder ein bisschen mehr, zumal meine Motivation ob des Traktor S4 Systems gerade wieder Purzelbäume schlägt.
Musikalisch gab das Jahr 2010 kaum Anlaß zur Meckerei, so viele gute Tracks das es mir wirklich schwer fällt da irgendwelche Charts zu erstellen, für den Tracksektor fange ich daher gar nicht erst damit an, sondern verweise auf meinen musikalischen Jahresrückblick auf Motor Fm am 1.1. ab 22:00. An Alben haben für mich- in no particular order- diese besonders heraus gestochen:
Breakage – Foundation
Peter van Hoesen – Entropic City
Altered Natives – Tenement Yard Volume One
Scuba – Triangulation
Lone – Emerald Fantasy Tracks
Commix – Recall to Mind Remixe
Erfreulich am musikalischen Wandel empfand ich dieses Jahr die fortdauernde Annäherung von Dubstep und Techno, bzw. House woraus ja schon länger dieser schimmernde Bastard namens UK Funky, oder wie immer man das bezeihnen will, hervor ging und prophezeie mal das wir da in 2011 noch ein ganzes Stück weiterkommen. Dieses Marriage made in Heaven war für mich jedenfalls das musikalisch markanteste was 2010 zu bieten hatte. Sei es ein Scuba der als SCB seine Berlinprägung verarbeitet, ein Headhunter der als Addison Groove jackt oder ein Ramadanman der als Pearson Sound Dubstep mit House wie selbstverständlich fusioniert. Überhaupt diese Flut von englischen Twens, die nichtmal auf der Welt waren, als das alles mit House und Techno losging, die ganze Historie aber so in den Genen haben, das sie klingen als hätten alte Hasen Altes mit Neuem verbunden nötigt mir schon eine Menge Respekt ab und ich ziehe den Hut vor dieser neuen Generation. Hierzulande haben sich dankbarerweise, neben Ostgut Tongut, die Modeselektoren mit ihren Labels 50 Weapons und Monkeytown sehr verdient darum gemacht das alles unter einen Hut zu bringen.
Was mich aber auch wieder irritiert hat ist diese extreme Verkürzung der Hypezyklen, besonders auffällig war das für mich bei so Namen wie Prins Thomas, Tensnake und jüngst Nicolas Jaar. Namen die plötzlich aus dem Nichts auftauchen und die dann in Folge jeder nur noch beim Vormamen nennt, als wären sie seit Jahren beste Kumpels, alle Magazine bringen zeitgleich Feature und Titelbild und ein paar Monate später spricht kein Schwein mehr von ihnen, zurück in die Versenkung. Die Branche kann so grausam sein.
Musiksoftwaretechnisch habe ich dieses Jahr erstaunlich wenig zugeschlagen, es scheint gerade so als wäre alles auf einem idealen Stand und es fehlt einem nicht wirklich was, um ein bestehendes Setup unbedingt erweitern oder abändern zu müssen, zumindest geht das mir so. Das einzige was ich mir zugelegt habe war das bereits erwähnte Traktor S4 System, also eine Kombi aus Soft- und Hardware, dies könnte auch der vorherrschende Trend nächstes Jahr werden. Nach Jahren der Softwaredominanz und des florierenden Controllermarkts, geht das einfach wieder zusammen und man hat dezidierte Controller zur entsprechenden Software, anstatt den Kompromissen mit den Allroundern. Wobei man sicherlich auch die Entwicklung der Multitouchgeräte nicht außer Acht lassen sollte, was vor ein paar Jahren noch Tausende kostete, läßt sich heute z.B. mit einem iPad locker auch realisieren, was dann auch folgerichtig den Tod des Lemur’s bedeutete, seineszeichens der Vorläufer dessen was sich heute quasi jeder leisten kann. Interessant dabei, das es bis heute noch keine wirklich ernstunehmende DJ App gibt, die dem Laptop das Wasser abgraben könnte, was nicht nur am Manko des nur einmal vorhandenen Stereoaudiokanals liegt. Spannend wird es 2011 ob da was wesentliches passieren wird.
Politisch-gesellschaftlich war das aber ein besonders komisch schmeckendes Jahr. Zwar blieb so ein Zensursulading wie im Jahr zuvor aus, könnte aber gut sein mit ACTA eine noch viel größere Sauerei in der Pipeline ist. Überhaupt ist anzunehmen das nach den Wikileaks dieses Jahres der Versuch das Netz zu reglementieren und zu sperren im nächsten Jahr in ganz neuer Vehemenz ausgetragen wird. War jedenfalls schön anzusehen wie diejenigen, die ihren Bürgern alle Geheimnisse nehmen wollen, darauf reagieren wenn ihnen mal selbiges wiederfährt. Dabei stellt sich vor allem die Frage wieso diejenigen, die wir wählen und bezahlen, überhaupt meinen Geheimnisse, und seien es diplomatische, haben zu dürfen. Der Cyberwar ist dieses Jahr mit dem Stuxnetvirus und dem Ddos Battle von Anonymus vs. Amazon, Mastercard und Visa um einiges realistischer geworden und der wird langfristig mit Sicherheit nicht zwischen Ländern oder Regierungen ausgetragen.
Dagegen wirken die bundesdeutschen Zwiste fast possierlich. So sehr man mit den Stuttgart 21 Gegnern sympathisiert, so sehr muß man sich auch wundern auf welch hohem Niveau da gemeckert wird, aus einer Demonstrationskultur für Veränderungen und gegen verkrustete Strukturen wurde in den 90ern mit der Loveparade eine Demonstrationskultur des Friede, Freude, Eierkuchens um jetzt in eine Demonstationskultur des Nichtveränderns und Bewahrens zu münden, schon komisch.
Aprospos Loveparade, da hat es also 21 reale Tote gebraucht, bis man gemerkt hat wie tot das Ding bereits war und was für ein Zombie da am Nasenring durch das Ruhrgebiet gezogen werden sollte. Ich hatte das ja alles nicht so mitverfolgt und erst am Katastrophentag gesehen, was für ein dämliches Konzept das war. Ich würde heute noch wetten, das das nur der Testballon war, wie man in Zukunft Eintritt generieren könnte. An Peinlichkeit zu überbieten ist ja auch bis heute nicht wie sich die Verantwortlichen vor der Verantwortung drücken
An Vorsätzen habe ich mir jetzt gar nicht so viel vorgenommen, außer MEHR MUSIK!