Review: Westbam – Die Macht der Nacht

Irgendwie ein trauriges Buch, nicht nur wie das alles endet, so mit dem Verlust von allem was einem mal wichtig war, sei es die Firma, Lupo und dann noch, ohne im Buch vorzukommen, aber letztens halt, punktgenau zum Release, William Röttger, sondern auch weil es so emotionslos gegenüber dem ist, was ihn ja so groß gemacht hat, der Musik. Das gipfelt dann im letzten Drittel in dem Satz „Musik ist ein unperfektes Werkzeug. Wenn du oben angekommen bist kannst du es wegschmeißen.“ Und so fühlt sich das auch die ganze Zeit beim lesen an. Das erste Drittel, als klein Max noch als Punk in Berlin ankommt liest sich noch ein bisschen anders, da hat einer noch Neugier und steckt voller Elan, das Leben, in diesem Falle halt Nachtleben, zu entdecken und man kann das durch die unterhaltsame Schreibe durchaus nachvollziehen. Aber dann reiht sich ein „Erster!“ an den nächsten, der erste Hippy Deutschlands mit 4, der erste Punk in Münster, die erste Houseparty in Deutschland (als wenn das im Ex und Pop damals wirklich jemanden interessiert hätte), der erste mit diesem oder jenem Preis, der erste in irgendwelchen Charts, erster whatever, irgendwann nimmt man das Erster! Gehechel einfach so hin und hat fast Mitleid mit diesem selbstauferlegten Hase und Igel Spiel, wo man doch seit Bowie weiß das es gar nicht darauf ankommt wer es als Erster macht, sondern wer es als Zweiter zu nutzen weiß.
Ansonsten glänzt das Buch mit Auslassungen, bzw. einer Oberflächlichkeit, die es Westbam möglich macht den distanzierten Beobachter zu geben. Mag ja sein das man im Nachhinein, in der Rekapitulation, diese Position einnimmt, wenn man die kurvige Geschichte jedoch quasi hautnah mitbekommen hat, dann ist das alles etwas unbefriedigend und verbogen in seiner Verkürzung. Wohlgemerkt, da stehen keine wirklich falschen Fakten, aber die vielen fehlenden Einzelheiten zeichnen m.E. ein sehr weichzeichnerisches Bild.

Ok, das ich zu UFO Zeiten eine Topffrisur hatte und auf dem Klo angeblich der Satz stand „Tanith kann nicht tanzen“ ist definitiv geflunkert, aber was tut man nicht alles für eine Pointe. Ich muß also meine ursprüngliche Befürchtung eines Dissens meinerseits zurück nehmen, dissen geht anders und auch mit den anderen Erwähnungen im Text kann ich leben, kann man so sehen wenn man will. Mit Wolle hat er es heftiger und trotzdem konnte ich mir bei mancher Beschreibung das Schmunzeln nicht verkneifen: „Es war schwer, nicht zu wissen, wie er über irgendwen oder irgendwas dachte….Wolle konnte allen was beibringen: den DJs über Musik, den Lightjockeys über das Licht und der PA-Firma über den Sound.“
Oder über den XDP Wagen anno 91 auf der Loveparade:
„Folgende Ideologie stand hinter Wolles »Bass Test«-Konzept: Die Leute tanzen bekanntlich zum Bass. Demnach sind Mitten und Höhen Kommerz. Daraus ergibt sich die Konsequenz: Ab jetzt nur noch Bass! Alles andere ist Verwässerung! Übrig blieb beim »Bass Test 1« ein amorphes, dumpfes Wabern, das natürlich keinen Spaß machte. Die ganze Idee war komplett irre.“
Hehe hehehe. Aber auch:
“Seine Kritik am Mayday- Konzept klang irgendwie hohl, weil er selbst das gleiche benutzt hatte. Nur mit weniger Erfolg. Zwei Wochen nach Mayday war Neugebauer mit seinem Tekknozid daher gekommen. In einer modifizierten Variante: Auch in der Halle Weißensee. Auch mit einem großen Line-Up. Auch mit nationaler Werbung. Und seine Inspiration war? Die offizielle Loveparade-Party. Bloß »ohne Love und ohne Parade«, wie er sich ausdrückte. Sein Motto: »The biggest rave ever.« Mayday fand er aber zu groß und zu kommerziell. Wir hätten alles kaputt gemacht. Er stellte seine Tekknozid-Serie sofort ein und ärgert sich noch heute.“
Und da fängt schon wieder so ein bisschen die Flunkerei bzw. Verkürzung an, das ist erstens auf vielen Ebenen so nicht richtig, unter anderem wußte jeder der den damaligen Fight zwischen Mayday und Tekknozid mitbekommen hatte, das da hinter den Kulissen seltsame Spielchen liefen, auch wenn das Ergebnis wahrscheinlich trotzdem nicht anders ausgefallen wäre und zweitens war die Mayday eigentlich, trotz früherem Termin, die spätere in der Planung die hektisch zusammen geschustert wurde nachdem der Termin für Tekknozid fest stand und auf dieser, in dieser weichenstellenden, sensiblen Zeit, keiner von den Low Spirit Acts vorgesehen war.
Die Beschreibungen von Wolle und anderen zeigen mir aber auch, das er den Osten nie wirklich verstanden hat, das bleibt durch das ganze Buch merkwürdig distanziert, so wie das beharren auf West Berlin in der Anschrift auf den Plattencovern von Low Spirit bis weit in die 90er hinein. Andererseits impliziert das ja schon der Name Westbam in gewisser Weise, nicht anders läßt sich vielleicht auch das Paradox erklären, das ausgerechnet einer aus Frankfurt, die Nemesis seiner 90er, nämlich Jürgen Laarmann, quasi die Verkörperung des westlichen Glücksritter Tschabo’s, bis heute sein bester Budddy ist. Das war nicht immer so und auch hier fehlen mir ein paar Fakten aus der Zeit als Frontpage pleite ging und Laarmann ziemlich gleichzeitig seine Anteile an Mayday und Loveparade verlor, ähem.
Auch in Bezug auf diese Beziehung bleiben also die Äußerungen nur vage, aber immerhin, so erfahre ich zum ersten Mal das es eine Override Summe für Bash gab, dem gemeinsamen Label von mir und JL damals, als der von mir dort untergebrachte Ströbel zu Low Spirit wechselte, so lief das damals, aha! Unnötig zu erwähnen das ich von unseren gemeinsamen Labelerfahrungen, weder von Releases, noch von Lizensierungen, noch von irgendwas irgendwann mal Geld sah.
Auf den ganzen Themenkomplex Kommerzialisierung und Ausverkauf war ich natürlich besonders gespannt und wurde in Sachen Relativierung natürlich nicht enttäuscht, ein wenig Distanzierung hier (Mark O) ein bisschen Unverständnis da (Musiknerd Reviewer bei Frontpage wie Bleed und Triple R), ein bisschen drüber Ablachen wie das diese von jeher realitätsscheuen Uraktivisten sehen, aber am Ende halt egal, weil die Zahlen sprechen ja für sich.
Diesbezüglich scheint die ihn prägendste Zeit wohl die „irren Jahre“ zwischen 1994 und 1996 gewesen zu sein, da rasselt es nur so die Zahlen der Abverkäufe, das ein Businessplan blaß vor Neid werden könnte. Dazwischen ein paar lustige Drogengeschichten zur Auflockerung und dann geht’s auch schon ins E-Werk, bei dem er sich allen Ernstes als Soundobermacker darstellt, was ich gegenüber denjenigen die wirklich für den E-Werk Sound standen etwas unfair finde, als da wären, Cle, Terri Belle, Disko, Woody, Hazel B und meinetwegen noch Motte, aber bei Westbam war doch der Running Gag das man nach einem Set, damals legte jeder DJ noch paarmal nacheinander mit dem jeweiligen anderen der Nacht auf, gehen könne, weil es käme nachher das gleiche wieder.
Auch seine Version des von ihm wiederentdeckten Electro dort, natürlich als Erster und vorläufig Einziger, zeugt von einer sehr solitären Sicht der Dinge, nachdem zu dieser Zeit Big Beat mit z.B. Chemical Brothers oder DJ Icey eigentlich schon überall angekommen waren.
Die Zäsur kommt dann schrittweise nach 9/11 bis 2006 als Low Spirit verkauft wird und er auf den Wechsel des Zeitgeists zu Minimal nicht klar kommt, was ja vielen so ging, aber mit dem Namen Max hat das natürlich eine besondere Ironie.
Das Ende der Spaßgesellschaft, markiert durch 9/11, postuliert von Scholl Latour, scheint da bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, ab da wirkt alles konzept und lustlos, man wurschtelt halt irgendwie weiter, natürlich auf relativ hohem Niveau, aber Geld ist halt nicht alles und das Ende des Buches liest sich mit dem Tod von Lupo fast wie der eigene Nachruf. Es wirkt als würde die Begrifflichkeit des Namens Low Spirit erst nach dem Verkauf seine persönliche Wirkung entfalten.

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