Thema der Woche #228: Ageism im Techno

Die eigentliche Fragestellung lautete „Ab welchem Alter sollte sich ein DJ zur Ruhe setzen? / Leidet die credibility beim Publikum unter dem wachsenden Alter?“ Das fand ich im ersten Moment skurril, im nächsten aber durchaus ein Thema das man mal besser beleuchten sollte. Denn allein zu der Frage „Ab welchem Alter sollte sich ein DJ zur Ruhe setzen?“ gibt es eigentlich nur eine Antwort: „Wenn er sich zu alt fühlt oder es nicht mehr spürt“ aber interessant das so eine Frage gestellt wird, weil hätte ich nicht gedacht das heute noch so ein Gedanke kommt, gibt ja mittlerweile so einige im hohen Alter die durchaus und nach wie vor geschätzt werden und eigentlich waren wir im Techno ja schon früh einig das solche Attribute eher sekundär sind.

Schließlich ist das Publikum heute auch oft altersmäßig sehr gemischt. Ich höre in letzter Zeit nämlich von einigen die sowohl Probleme mit dem Reinkommen kriegen, als auch von DJs, die nicht gerade in der ersten Reihe stehen, das sich da gerade etwas ändert und deshalb bin ich ganz dankbar dafür, das diese Frage gestellt wird. Mir scheint sich da gerade etwas einzuschleichen, was man gut mit Ageism umschreiben könnte. Auch als ich meinen 60sten im Suicide unter dem Motto „Endlich 60!“ feierte, kamen da einige zweifelnde Frager auf mich zu, ob das denn eine so gute Idee sei. Klar 60 jährige DJs gibt es einige, Carl Cox z.B. ist lediglich 4 Tage jünger als ich, Dave Clarke und Rush, holen mich zwar bestimmt nicht mehr ein, sind mir aber auf dem Fuß, bei solchen käme auch nie die Frage nach zu alt oder Credibility auf. Aber anscheinend gibt es auch da hierarchische Unterschiede.
Aber warum sollte sich ein DJ überhaupt zur Ruhe setzen? In der Originalfrage schwingt da sowas mit, ab wann bringt er es nicht mehr, wobei das Es für Entertainment steht. Fragt man sich das bei Musikern? Ich bin ja eher froh darum, das es noch DJs gibt, die keine Show hinter den Decks abliefern, keine Herzchen mit 2 Händen zeigen und was sonst wohl noch für mich in der Frage mitschwingt. Ebenso fände ich es ziemlich blöde, wenn sich jetzt jeder ältere DJ eine Sturmhaube oder Maske aufsetzen müßte um diesem Ageism oder Jugendkult zu genügen. Ich finde es ja eher einen schönen Gedanken, seiner Berufung, und das ist es wenn man es in diesem Metier über den ersten Hype geschafft hat und durchhält, möglichst lange frönen zu können, nicht nur ein Goa Gill oder DJ Harvey tut das ja schließlich auch. Und wenn man sich nicht ganz blöde anstellt, wächst mit dem Alter eher die Credibility. Bis zu welchem Level man das dann gewillt ist mitzumachen, bleibt einem ja selber überlassen. Natürlich ist da nicht nur Ageism Schuld und die Gründe mannigfach, das für was man steht hat ausgedient, Mithalten mit den nachwachsenden Heißspornen zu beschwerlich und sowieso ist die Halbwertszeit im Technozirkus heute ja meist eh sehr begrenzt. Und am Ende der ganzen Geschichte steht natürlich auch, das man es schaffen sollte dabei in Würde zu altern.

Siehe auch den aktuellen Beitrag von D.A.V.E The Drummer

9 thoughts on “Thema der Woche #228: Ageism im Techno”

  1. Spannendes Thema. Und der Vergleich mit den Musikern ist für mich nachvollziehbar. Ich war vor ein paar Jahren auf verschiedenen Konzerten bspw. von Santana (der seinen Sohn auf der Bühne hatte und mitperformte) oder Foreigner usw. Sicher war das Publikum auch in einem ähnlichen Alter wie die Musiker aber dennoch hat das Alter hier keine Rolle gespielt. Und ich finde das ist bei DJs auch so. Zumindest in meiner eigenen Wahrnehmung. Wenn ich an die Closing-Sets von Dag auf der Nature One denke wo früh morgens noch richtig tolle Stimmung war. Viel besser als beim Vorigen Programm wo deutlich jüngere DJs gespielt hatten. Väth bspw. war letztes Jahr hier in Münster auf einem Festival und die Stimmung war ebenfalls top als er dran war. Ich glaube also nicht, dass das Alter des DJs beim Publikum eine Rolle spielt.

  2. Danke! Das musste mal gesagt werden. Wobei meine Erfahrung ist, dass die meisten „jungen“ Leute kein Thema mit dem Alter der DJs oder der Teilnehmenden haben. Und wenn doch, dann finde ich, dass sie für ihre Generation was eigenes erfinden sollten. Wer 1993 volljährig war, kann jetzt nicht unter 45 sein.
    Für mich habe ich es so gelöst: so lange die DJs zum Teil älter als ich sind, kann ich hingehen. Also, bitte schön weitermachen.
    Bisher ist Reinkommen kein Problem. Ich glaube, dass das eher Selbstzensur ist und viele sich nicht mehr trauen. Was ich krass finde, ist die absolute Seltenheit von Frauen über 50. Das ist ein subtiler Sexismus mit sehr deutlicher Auswirkung. Oder sie haben alle super Beautytricks und ich schätze sie falsch auf unter 30

    1. „Für mich habe ich es so gelöst: so lange die DJs zum Teil älter als ich sind, kann ich hingehen. Also, bitte schön weitermachen.“
      haha, so halte ich das auch

  3. Schön, dass mein Thema behandelt wurde. Dabei war es natürlich keine Absicht, irgendjemandem einen Rücktritt nahezulegen. Bin ja selbst Ü60. Zwar kein DJ, aber seit Jahrzehnten „Konsument“ elektronischer Musik, der aufgrund seiner musikalischen Vorliebe von Jahr zu Jahr schräger angesehen wird.

  4. Ü80. Ich schaue mal ganz erfreut auf Loft-Legende Monika Döring, die zum 80. noch morgens um 5 Uhr auf dem Dancefloor stand, mit 85 eine abgefahrene Ritualmusik Party veranstaltet hat und selbst jetzt noch manchmal im Nachtleben beim Lauschen von guter Musik anzutreffen ist. Also wenn das eine Methode ist, sich beweglich zu halten. Spass dran zu haben und dabei zu sein, unbedingt weitermachen so weit die Füße, und die Ohren, und der Verstand einen tragen. An den Decks, auf dem Floor, vor der Bühne.

  5. Watt soll man den sonst tun? Bei Silberhochzeiten einen auf Schlager-DJ machen? Klar, mit dem Alter ist man besser im Vermeiden von Fehlern. Auch als Musik-Konsument. Parties, die sich wirklich ausschließlich an junges Publikum richten, meide ich natürlich. Ein guter Indikator dafür sind die DJs.

    1. leider scheint es so als wäre die ältere Generation während der Seuche etwas träge geworden, so das die Clubs nun auf die jüngeren setzen, bzw. sind auch einige Veranstalter ausgestiegen und überlassen damit jüngeren das Feld. Was ja eigentlich nichts schlechtes ist, Revolutionen fressen ja immer ihre Kinder

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