Ein Jahr Karow 

Heute vor einem Jahr ging das los mit dem Umzug, der mich fast 2 Monate beschäftigen sollte bis alles geschafft war, am Schluß war dann auch endlich das VDSL endlich gelegt, Home ist ja schließlich wo sich die Geräte automatisch ins W-Lan einloggen. Das Wetter war ähnlich wie heute und ursprünglich dachten wir auch nicht das wir gleich die erste Nacht hier schlafen würden, aber wenn man schonmal hier ist kann man auch gleich bleiben und das könnte dann auch das Motto für das letzte Jahr sein. Denn bereut haben wir es bislang nicht einen Tag vom mondänen, weltlbekannten Prenzlberg in die nordöstlichste Ecke Berlin’s zu ziehen, bei dem schon Berliner Probleme haben es richtig zu verorten.

Ja, es ist ruhig hier, dörflich ist nicht übertrieben und wir wohnen davon noch am Rand, so das man beim Anblick der Straßen, die in Feldwege übergehen und der Felder und Teiche immer denkt, hier also hört Berlin auf und in der Tat streife ich bei den täglichen Hunderunden oft die Grenze zu Brandenburg.
Der Grund für den Rauszug aus dem Zentrum war vielfältig, mich und Jeannette nervte zunehmend die Fülle der Stadt, die Parkplatzprobleme, die zunehmende Masse Stadtneurotiker die mit den zunehmenden Massen anderer Stadtneurotiker nicht klarkommen. Natürlich hat das auch mit Kind und Hund zu tun, insbesondere dann, wenn man mit beiden spazieren gehen will und erstmal über mit Autos und deren Luft verpestete Straßen jonglieren muß und dann “Papa, ich hab den Teddy vergessen”, also wieder den gleichen stressigen Weg, damals noch mit Kinderwagen an der einen Hand, Hundeleine in der anderen, wieder zurück, Hund neben Bierpisslach anbinden, unsicheres Gejaule inklusive, Kinderwagen anschließen, aber nicht im Hausflur, weil zu eng, 2 Stockwerke mit Kind im Arm hoch, Vermisstes holen, wieder runter und den gleichen Anfang nochmal, bis man endlich mal zum Spaß kommt und der hieß zumindest unter der Woche meist Mauerpark. Den wußte ich auch ziemlich lang zu schätzen, bis man eben ein Kleinkind hat, das da rumkrabbeln will, dann fallen einem erst die ganzen Kippenreste und Glasscherben und sonstiger Müll unter der Grasdecke auf, weswegen wir dann irgendwann, so oft es ging, diesen zugunsten der Nerven vermieden und mit beiden weiter raus fuhren. Dann kann man auch gleich rausziehen war unser Gedanke, aber vom Gedanken bis zur jetzigen Bleibe war es dann auch nochmal fast ein Jahr und auch diese Geschichte soll nicht unerzählt bleiben.
Wir schauten uns Häuser im Nordenosten an, da wir beide eher den Norden Berlin’s präferieren, angefangen von Pankow bis Bernau und Wandlitz, das ist der sogenannte Barnim an dessen anderem Ende auch unser Datschengrundstück liegt. Irgendwie war auch nach bestimmt 10 besichtigten Häusern immer noch nicht das richtige dabei, bei dem man gesagt hätte “Das isses”. Dann war da noch dieses Angebot in Karow, Neubauanlage, aber direkt am alten Kern gelegen und nicht in diesem Neubauviertel, das wir kannten und wo auf keinen Fall hinwollten. Wir gaben nicht viel drauf, aber angucken kann man sich’s ja mal. Erster Eindruck: och nö. Dann aber: Oha, Gartenanlage mit Teich, 2 Spielplätze. Aber die Häuser, sah von außen aus wie umgekippte Hochhäuser, nicht das was wir uns vorgestellt hatten. Dann aber drinnen! Ich hätte mir vorher nie vorstellen können in einem Neubau zu wohnen, allein schon wegen der Deckenhöhe, ich krieg da Klaustrophobie! Wenn aber die Wohnzimmerdecke über 2 Etagen geht und man via zwei Gallerien vom oberen Stockwerk in Wohnzimmer und Küche runtergucken kann, dann sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Dazu noch Wintergarten, auch mit über 5 Meter Höhe und noch ein eigener Garten dahinter. Shut up and take my Miete! Als wir uns nach der Besichtigung dann noch die Umbebung anschauten war’s ganz um uns Geschehen, Bäche die unter kleinen Brücken durchplätschern, Felder soweit das Auge reicht, endlose Wege an Wasserkanälen entlang oft auf beiden Seiten des Weges gleichzeitig und Seen! Keine 300 Meter von der Wohnung entfernt! Wir wollten diese Wohnung…und bekamen sie nicht, den Zuschlag erhielten andere. Bummer! Wir bettelten darum uns Bescheid zu geben falls wieder mal was frei würde, wobei wir nicht wirklich daran glaubten das das tatsächlich mal passieren würde. Aber tatsächlich, es kam eine weitere Offerte, die entpuppte sich als Flop, weil andere Ecke der Anlage mit anderem Baustil, eingeschossig, niedrige Decken, komisch verbaut. Monate später dann wieder eine, 2 Stockwerke, mit dieser tollen Treppe und den Gallerien rund ums untenliegende Wohnzimmer. Nur leider in der ersten Etage, ohne Garten. Der Makler meinte dann noch beiläufig zu uns, da wäre noch eine nicht inserierte mit 5 Zimmern und Garten, die könnten wir uns noch angucken, die wäre aber noch nicht renoviert. Nun, wir hatten’s ja nicht dringlich mit dem Auszug und 5 Zimmer klang exorbitant gegen die 3 die wir in der Stadt hatten und das einfach mal eins zuwenig war. Also angeschaut und als das beste war wir bis dato dort gesehen hatten empfunden und: es gab keine Mitbewerber, wir hatten das Ding sofort eingetütet. Nun hieß es halt noch 3 Monate warten bis die Renovierung durch war, was uns aber auch einige Monate doppelte Miete ersparte.
Ab 1. Januar 2013 war ich dann dabei in der alten Wohnung alles auszusortieren, wegzuschmeissen was sich so seit dem letzten Umzug an Unnötigem angesammelt hatte und einzupacken was Ende des Monats mitzunehmen sein würde. Am 29.1. kam dann der Anruf, das wir die Schlüssel haben könnten und nachdem das Kind in der Kita war ging’s dann auch sofort los mit den ersten Fuhren. Das waren dann gleich so viele das wir eben gleich dort schlafen konnten, wenn auch in absolutem Chaos, aber in der alten Wohnung sah es nun auch nicht besser aus.
In den folgenden Wochen hatte ich viel Zeit mit dem Hund die Umgebung zu erforschen, alleine schon weil ich kein Internet hier hatte. Also hatte schon, einen 3G USB Stick mit 2 Balken Empfang. Ursprünglich war das für 2 Tage geplant, aber man kennt das ja, erst geht alles schief und dann hat man noch Pech, es wurden 8 Wochen und die Geschichte erspar ich mal, sie hat mit falschen Informationen bezüglich Ummeldungen des Anbieters, anschließendem Neuautrag, fehlenden Technikern ohne Benachrichtigung, fehlenden Kabeln am Termin und dererlei Widrigkeiten mehr zu tun, ihr kennt das.
Jedenfalls entdeckte ich dadurch die zu dem Zeitpunkt noch verschneite Natur hier zusammen mit dem Hund. Der, das muß ich vorausschicken, litt zu dem Zeitpunkt an einer Athrose am Hinterlauf, lange Wege waren ihm in der Stadt mittlerweile ein Greul bei seinen 56 kg. Hier draußen siegte aber die Neugier über die Athrose und die Kreise wurden wieder größer, mittlerweile ist von dem steifen Gelenk kaum noch was zu merken, der läuft wieder locker seine 8 km und will noch mehr. Das eine Jahr hier hat ihn sicher um 3 Jahre verjüngt, was sicher auch damit zu tun hat, das er seitdem fast täglich im See schwimmen war.
Aber nicht alle Wege sind länger geworden, wie man das ja außerhalb der Urbanität vermutet, die Kita z.B. ist ca. 100 Meter von der Haustür entfernt, ohne das man groß Straßen überqueren müßte, eigentlich läuft man nur durch Garten. In der Stadt war das bedeutend weiter und zudem unschöner, weil eben mitten durch Berufsverkehr. Der nächste Supermarkt ist auch nicht weiter als vorher. Die S-Bahn fährt alle 10 Minuten und ich bin in 20 Minuten, bzw. 8 km, da wo ich vorher gewohnt hatte, kann man auch noch mit Rad machen. Gut, der morgendliche Bäcker ist etwas weiter, aber dafür die Schrippen dermaßen gut, das ich sogar meilenweit dafür laufen würde, trotzdem nehme ich das Rad. Überhaupt Rad, Rad ist natürlich hier draußen nochmal was anderes als in der Stadt, nicht nur unentbehrlich, sondern richtiger Spaß, weil kein ständiges Stop and Go an Ampeln und diese Enge der Stadt mit ihren Verdrängungskämpfen unter den verschiedenen Verkehrsteilnehmern wegfällt, es ist genug Platz für alle da und keiner meckert wenn man mal auf dem sehr breiten Fußgängerweg der Hauptstraße langfährt, in fact ist der tatsächlich für beide freigegeben. In Sachen Parkplatz neige ich sogar dazu zu behaupten, das die Zeit die ich hier raus fahre weniger ist, als die, die ich bräuchte um in meinem alten Kiez einen Parkplatz zu finden und von diesem nachhause zu laufen.
Heute also jährt sich zum ersten Mal mein Auszug aus der Stadt und ich befürchte sie wird mich nie wiederkriegen, dazu überwiegen die Vorteile und die Lebensqualität viel zu sehr, als das ich mir das nochmal freiwillig geben würde und leerer und angenehmer wird das ja nun auch nicht gerade mehr da drinnen.
Das heißt aber nicht das ich die Innenstadt jetzt verachten würde, ich genieße es weiterhin sehr immer wieder da drinnen zu sein und so typische Stadtsachen mit den dortigen Bewohnern zu machen. Nur wohnen, wohnen möchte ich da nicht mehr müssen. Alleine schon der Weg hier raus, morgens nach dem Gig, wenn die Stadtluft hinter einem liegt und dieser gesunde erdige Geruch aus den Frühnebeln hochsteigt, da weiß man schon warum man diesen Schritt gemacht hat.
Hier noch zwei kurze Beiträge über meinen neuen Kiez, für diejenigen die sich das mal näher anschauen wollen (Dank an Henning für die Links)
Ein verschlafenes Dörfchen inmitten einer Riesenstadt
Zu den Karower Teichen in Alt-Karow
Und einige persönliche Highlights aus meinem Instagramm Feed

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