Rave Strikes Back Interview

24 Jahre ist das nun auch schon wieder her das ich in der Stadt aufgelegt mit dem wohl verheißungsvollsten Bahnhofsnamen, Paradies, aufgelegt habe. Morgen ist es dann wieder soweit und ich spiele in Jena’s Kassablanca zu Rave Strikes Back. Zum fast 25 jährigen Jubiläum gibt’s dann auch noch ein Interview, das liest sich so:

Tanith, woher kam schon früh bei dir das Interesse für Cyberspace und die damit verbundene elektronische Musik. Gab es da ein “Aha-Erlebnis“?
Das Interesse für Elektronische Musik fing bei mir schon Ende der 70er/Anfang der 80er mit so Sachen wie Throbbing Gristle, Cabaret Voltaire, Skinny Puppy an. Dann kam Cyberpunk in Form von Literatur Mitte der 80er Jahre dazu. Also so ein richtiges “Aha Erlebnis” kann ich da nicht bieten, das morphte halt alles so zusammen und spätestens ab Acid war das dann auch richtig rund, also Cyberpunk lesen und per Walkman neueste Acidtapes hören, das war so Zukunft und Cyberspace wie ich mir das immer gewünscht hatte.
Angefangen im Berliner UFO, wo es noch ziemlich eng, klein, neblig und verraucht zur Sache ging. Vermisst du heute diese speziellen Momente von damals? Auch in bezug natürlich auf deine Vorliebe für Rauch?
Eigentlich nein, denn diese Momente gibt’s glücklicherweise immer noch mal wieder. Wenn man jetzt nicht nur von Bookingagenturen in die poshesten Clubs gebucht wird, sondern sich auch selbst darum kümmert, kommt man auch noch in solche Locations und wenn man da freundlich anfragt nebelt und strobt’s auch noch ordentlich.
Tekknozid und Tekkno im allgemeinen mit “Doppel-kk”. Woher kam das, wieso die Mutation des Wortes Techno und wer dachte es sich aus?

Das ist auf Wolle XDPs Mist gewachsen und wird häufig als Härtegrad missverstanden, so war’s aber nicht gemeint. Das sollte damals unterscheiden zwischen unserer Definition von Techno zu der, die z.B. in Frankfurt mit späten EBM und Indianer Einflüssen oder auf den Detroiter Techno Samplern definiert wurde.
In der früheren Zeit konnte man besonders deine Liebe zum Camouflage-Look und vorallem Militärutensilien wie Armyhosen und Panzer sehen (man erinnere an deinen Sowjetpanzer auf der Loveparade). Woher resultierte das, war es eine Art Rebellion gegen “vorherrschende Strukturen“?

Ich bin damals, also schon vor Techno, immer so rumgelaufen, weil die Klamotten billig und praktisch waren. Die vielen Taschen z.B. um Flyer mitzunehmen und zu verteilen. Zudem hat mich fasziniert, wie die eigentliche Tarnung in nicht so vorgesehenem Areal wie Stadt zu Warnung wurde, also sich ins Gegenteil verkehrte. Da kommt dann eins zum anderen und man kriegt plötzlich einen Panzer angeboten, der natürlich einen schönen Kontrastpunkt zu dem ganzen Friede, Freude, Eierkuchen Heitidei seinerzeit abgab. Somit ging das dann los.
Im Jahre 1990 orderte man dich über die Frontpage zum Interviewtermin mit Underground Resistance. Wie hast du dich darauf vorbereitet, wie hast du dich gefühlt und gab es im Laufe des Interviews überraschende Momente?

Ich brauchte mich da gar nicht groß vorzubereiten, weil ich war ja absoluter Fan ihrer Platten. Das Interview fand via Fax statt, da fühlt man wenig, höchstens wenn dann tatsächlich Antworten auf Thermopapier auf dem heimischen Multifunktionsgerät rauskamen. Persönlich kennen gelernt haben wir uns dann erst kurz später, als die, nicht nur aufgrund des Interviews natürlich, endlich im Tresor spielten.
Berlin, du lebst mittlerweile seit fast 30 Jahren dort, was bedeudet diese Stadt für dich persönlich und deinen musikalischen Kosmos?
Auch wenn ich nicht mehr mittendrin, sondern ganz am Rand lebe, Berlin ist Heimat, hier fühl ich mich wohl, die Stadt war immer gut zu mir  Wenn man die Veränderungen der letzten 30 Jahre so mit erlebt hat, dann bleibt einem wohl auch gar nichts anderes übrig als damit verbunden zu sein. Immerhin, als ich hier ankam stand ja die Mauer noch!
Auch musikalisch bin ich hier nach wie vor gut aufgehoben, die Bandbreite an Clubs und Musikern in der Stadt gibt immer wieder neue Impulse die man verarbeiten oder motivieren können. Ich glaube auch das Klima hier paßt sehr gut zu dem was ich musikalisch mache.
Musikauswahl, du siehst dich besonders nicht als ein Verfechter nur einer Richtung an, sondern eher als Selektor, der auch immer wieder gerne neue Genres ausgräbt. Würdest du das heutztage noch genauso unterschreiben und was ist für dich gerade der “heiße” Scheiß?
Ja, es muß ja schließlich interessant bleiben und dazu muß man sehen was links und rechts vom eigenen Tellerrand passiert, wenn’s paßt nehme ich das gerne in die eigenen Sets mit auf oder kreiere neue Alter Egos wie Tanith BRX für die Breaks damals oder Desastronaut für mehr UK Garage angehauchte Bassline House Sachen. Für mich ist da ein roter Faden drin, den wahrscheinlich nicht alle nachvollziehen können, deswegen trenne ich das gern von den Tanith Sets, obwohl es da, wenn es geht, auch mal Schnittmengen gibt.
DEN neuen heißen Scheiß finde ich momentan nicht, aber es gibt genügend Fäden die gerade weitergesponnen werden, auf ganz unterschiedlichen Gebieten, Special Request, Joe Farr, Dax J, Chambray, Luca Lozano, oder das was Low Stepper teilweise auf seinen Simma Labels rausbringt, oder das Night Bass Label, oder.. oder.. also an heißem Scheiß mangelt es definitiv nicht, nur besonders neu klingt der meist nicht, sondern spinnt halt nur Fäden weiter, das aber oft sehr zu meiner Beglückung.
Du erhieltest auch mal eine Remixanfrage von Rammstein, wie bist du damit umgegangen und was ist daraus geworden?
Ich hab mich einfach mit ein paar versierten Leuten in ein Studio verkrochen und drauf los gemacht. Am Ende wurde er dann doch nicht released, weil irgend wer was dagegen hatte, Majors halt.
Silvester sah ich mir ein Konzert der Einstürzenden Neubauten im mittlerweilen schicken Radialsystem zu Berlin an. Alles pikfein, kein Dreck, geordneter Bühnenaufbau, kein Ausflippen der Künstler. Die Zeit hat sich gewandelt. Hörst du dir auch heute noch alte Einflüße aus Industrial und Independent privat an und sieht man dich auch mal auf Konzerten?
Naja, mit den Neubauten war es eigentlich auch schon vorbei als sie mit dem Speed und Koks aufgehört und das gegen Literatur und Schönklang eingetauscht haben, irgendwo im Sinne der Lebenserhaltung verständlich, aber seitdem interessiert mich das nicht mehr sonderlich.
Industrial und artverwandtes höre ich auch heute noch gerne, würde sogar sagen davon ist viel in den Techno aufgegangen, wie ich ihn verstehe. Auf Konzerten sieht man mich hingeghen eher selten, wer Skinny Puppy von 83 bis 88 live erlebt hat oder auch Throbbing Gristle, SPK und andere, dagegen ist heute eher alles weich gespült, was natürlich nicht zuletzt auch an den Auflagen liegen mag. Jedenfalls ist man damals aus solchen Konzerten anders rausgegangen als man reingegangen ist und das habe ich eigentlich seit Mitte der 90er bei Konzerten nicht mehr erlebt, von daher ist das eher selten geworden.
Wir freuen uns besonders auf dein Set im Kassablanca, was kann der Gast an diesen Abend von dir erwarten?
Abfahrt und Katharsis 
Danke für deine Zeit & see ya in the Dancefloor*

Auf der Rave Strikes Back Seite gibt’s dann auch noch mehr Bilder vom damaligen Gig

One thought on “Rave Strikes Back Interview”

  1. Oh Mann, kaum zu glauben, daß das nun auch schon wieder 7 Jahre her ist, dieser Abend war meine Rückkehr in die Welt von Techno und Clubbing nach 20 Jahren Abstinenz, dein Set einfach nur grandios und ich höre es ab und zu noch immer gerne an

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