Thema der Woche #230: DJs die krank werden oder weniger Touren oder ganz aufhören

Man hört ja in letzter Zeit öfter davon, Monika Kruse hat sich letztes Jahr für unbestimmte Zeit vom DJing verabschiedet, Laurent Garnier meinte zuerst das er nächstes Jahr kürzer treten wird, um nun aber jetzt schon sämtliche Termine, zumindest den Sommer, abzusagen, beide aus gesundheitlichen Gründen. So ein Tourlife verlangt einem einiges ab, gerade in diesen unwägbaren Zeiten, und es wird nicht einfacher mit dem Alter, wohl dem der seine Grenzen kennt. Natürlich ist man bestrebt mit den jüngeren immer noch mitzuhalten, wenn man deren Programm mit bis zu 30 Gigs pro Monat sieht und man das bis vor kurzem vielleicht auch noch so ähnlich gehandhabt hat, dann aber merkt, man ist eben keine 20 mehr und es geht an die eh schon strapazierte Substanz. Die Erholungsphasen dauern länger, das meiste hat man eh schon mal gesehen und erlebt, da hilft auch kein „ In Land XY, da musst du mal hin, das ist wie bei uns in den 90ern“, weil eben, hatte man ja schon. Wer sich dann bemüßigt fühlt da weiterhin mitzuhalten, ohne auf die Körpersignale zu hören landet schnell in der Krankheit. Ist natürlich schwer sich das einzugestehen, gestern noch war man an genau dieser Stelle, wo die neue Garde steht und irgendwie fühlt man sich noch dazugehörig, ist akzeptiert, partied mit und dann kommt dieser vermaledeite Körper und fordert seinen Tribute obwohl man insgeheim weiß, das man ihn ja schon seit Ewigkeiten eigentlich über Gebühr strapaziert hat und nicht jeder steht auf einer Position, bei der jährliche 3 Monate Auszeit mit Ayurvedakuren drin sind. Sich das einzugestehen schlägt dann leicht auf die Seele und zack, handelt man sich noch eine veritable Depression dazu ein, weil da geht sie hin, die Berufung, der bisherige Sinn des Lebens, die Leichtigkeit des Seins obwohl man noch soviel beizutragen hätte. Aber erst kommt eine Vollbremsung per Pandemie und kaum startet die Sache wieder ist alles anders. Eine neue Generation ist am Start und hat die Latte einfach mal ein Stück weit höher gelegt, das wofür man stand ist plötzlich nicht mehr so gefragt, wie konnte das passieren? Auch die Feiercrowd auf die man sich immer verlassen konnte hat sich während der Seuche zu Netflix verabschiedet, stattdessen steht man nun vor kinky Kindern, die einen erwartungsvoll anzappeln. Auch die Promoter sind jetzt im Alter der eigenen Kinder und Siezen einen. Und vielleicht steht man nun auch nicht mehr ganz oben als Headliner im Programm, was zusätzlich an der Würde kratzt. Dann erhascht man einen Blick auf die Rechnung von einem der jungen Shooting Stars, die sein mitreisender Agent ungeschickt hat liegen lassen und stellt fest, das man auch diesbezüglich nicht mehr die erste Geige spielt. Erst spielt man vielleicht nicht mehr in den ersten Häusern am Platze, die Suiten werden zu Pensionen, Die Städte zu Kleinstädten und irgendwann reicht’s nur noch für Länder, die geschmacklich bisschen hintendran sind und man kommt sich bisschen wie eine rumgereichte Trophäe vor, die nun endlich erschwinglich ist, während man sieht wie der junge Hüpfer, der nach einem letztes Wochenende gespielt hat und der einem davor noch völlig unbekannt war, von jetzt auf gleich auf Insta 100.000 Follower hat und seine Touren in den nächste Monaten posted, die nur durch wärmere Länder führt.
Es ist aber nicht nur Ageism, der pandemiebedingte,aprupte Generationswechsel oder die Inflation, die die Mittelschicht der DJs auffrisst, indem mit den Gagen kein Leben mehr zu finanzieren ist. Dazu braucht man sich nur mal Flyer oder Magazine aus der Vergangenheit anzuschauen, wer ist davon noch dabei? Die Halbwertszeit in dieser Branche brennt immer weiter runter und ich befürchte von der riesigen Masse derjenigen, die jetzt gerade ihre Zeit ihres Lebens haben, bleiben am Ende noch weniger übrig. Auch wenn sie jetzt wöchentlich noch beschwörend ihre Reels mit vollen Hallen posten, die Sache ist so heiß gelaufen, das die nächsten Aviciis nicht lange auf sich warten lassen dürften, mit dem Unterschied, das sie eben nicht ganz so berühmt sind und daher eher leise gehen, auch davon gibt es durchaus schon Beispiele.
Aber es muß auch nicht immer das große Drama sein, manchmal ändern sich einfach die Lebensumstände und Ziele, für einige ist DJing nur eine Durchgangsstation. Es ist ja auch eine sehr spezielle Branche, mit ebensolchen Eigenheiten und das stellt man für gewöhnlich erst fest, wenn man in dem Zirkus drin ist. Diese Wechselbäder der Gefühle, von umjubelt und eine Stunde später lost und allein im Hotel, bis zu auf Händen getragen und bei ausbleibendem Erfolg oder nicht erfüllter Erwartung, fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel, damit muß man klarkommen können. Glücklich kann sich schätzen, wer rechtzeitig bemerkt das die Sache eigentlich nicht so ganz die eigene ist, das ist für alle Seiten besser.

12 thoughts on “Thema der Woche #230: DJs die krank werden oder weniger Touren oder ganz aufhören”

  1. Ja das ist so.
    Und manchmal merkt man das der Pomoter garkeine Ahnung hat von Musik und von Menschlichkeit noch weniger… aber viel von Algorythmen.

  2. Leider Gottes hängt es heutzutage mehr von Algorithmus ab und Follower sowie Social Media Presence und Das ganze wird noch schlimmer wer sich dessen verschließt wird in den nächsten Jahren sich noch mehr runter ziehen lassen da viele Dinge die das Djing ausmacht und auch das Producing von AI und KI’s in Zukunft geregelt wird…. ich habe auch damit lange gehadert genauso das Auflegen mit Controller aber so ist die Zeit. Es ist traurig aber warhr.man kann es nur für sich selber besser machen als die anderen und sollte die Liebe zur Musik nicht verlieren

    1. Da muss man sich halt nur einmal angucken, wie eine TikTok-Hüpferin DJane des Jahres werden kann. Aber AI wird in den nächsten 5-10 Jahren den Laden gehörig aufräumen, denke ich.
      Heute ist es so einfach wie noch nie DJ zu werden, und gleichzeitig so schwierig, wenn man nicht beim Social-Media-Zirkus mitmachen will.
      In den 90ern musste man sich wenigstens 1210er und regelmäßig mal ’ne neue Platte leisten können. Um zu produzieren, musste man jemanden mit einem Studio kennen (wenn man kein Rich-Kid war, der sich mit 20 wenigstens ’nen Nordlead und eine Groovebox leisten konnte, es sei denn man machte einen auf Amiga- oder Atari-Hardcore).
      In den 2000ern kam dann irgendwann Traktor und Serato aber man musste immer noch wenigstens mal eine Vinyl angefasst haben und wissen was ein Pitch-Regler ist, aber man konnte mit einem priated Ableton schon mal bisschen selbst produzieren. Mit Traktor und co. hielt aber auch der Auto-Sync Einzug und dann die Controller.
      Heute ist Social-Media alles. Hat man genug Follower, wird man gebucht. Das geht fast schon automatisch wenn man sich nicht aktiv dagegen wehrt. Ob man mixen kann ist egal, Hauptsache man weiß wo der CDJ den Syncbutton hat. 20 Tracks aus den Beatport Charts im Lieblingsgenre runterladen und los geht der Fame. Dadurch ist aber DJing und Musik selbst an sich so billig geworden. Beatport wird fast nur noch von DJs frequentiert (um die Charts runterzuladen), der Rest rauscht durch die Spotify-Playlists.
      Mal sehen, welchen Impact AI haben wird. Gibt keinen Grund, warum ein Algorithmus, der Texte und Bilder erzeugen kann, nicht auch perfekt gemasterte Tracks erzeugen können sollte, egal ob Rock, Techno, House, Dance, Hiphop. Erste Versuche gibt es ja bereits. Trainiert man ihn mit Playlists, sollte auch ein DJ-Set kein Problem sein.
      Vielleicht wird dann sogar der DJ obsolet aber vielleicht wollen die Leute ja irgendwann auch wieder Menschen auf der Bühne sehen, vielleicht sogar Bands mit echten Instrumenten, die an echten Knöpfen drehen, in Tasten und Saiten hauen und rumrocken.

      1. ich habe bislang noch nicht gesehen, das etwas bestehendes komplett weg war wenn etwas neues aufkam, siehe z.B. Vinyl das nach wie vor aufgelegt wird. Oder auf der einen Seite KI Plugins und auf der anderen Seite modulare Euroracks.

  3. Wow. Was für ein gejammer. So ist das nun mal im Leben. Irgendwann wird man durch wen jüngeren ersetzt. Da hilft auch kein Pioneerstatus (höhö kleiner Gag) oder das mein Name mal für 5 Sommer lang der größte auf jeden Festfival Plakat war. Man sollte er das junge Volk dabei unterstützen den Traum, den man selbst gelebt hat, fortzuführen. Sie ggf auf die richtige Bahn schieben. Ihn mitteilen, dass Insta-Follower nicht alles sind, sondern die Musik im Vordergrund steht.
    Irgendwann ist die Zeit halt mal abgelaufen. Und wie tragisch, dass man nicht mehr in den „Top-Ländern“ spielt. Ich würde ja kotzen.
    So eine gequirlte Scheiße macht mich echt sauer und ich bin selbst mitte 30, hatte vor Corona deutlich mehr Gigs und sehe ganz andere Missstände in der Club-Szene, über die man deutlich mehr jammern könnte.

  4. Beim Einstieg in den Text hab ich gedacht: oha, endlich mal ein Artikel, der LongCovid bei DJs thematisiert.
    Anstecken in engen Clubs oder großen Menschenmengen ist statistisch W
    wahrscheinlich. Und bei 10% Langzeitfolgen nach Infektion (jeglichen Schweregrads)… das dürfte auch in der Szene ankommen.

    Aber ich vermute mal, da reden Stars auch eher selten drüber, was sie hatten und ob das Langzeitwirkung hat?!

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