Tresor Interviews 1991

Und wieder ein Fundstück, diesmal vom auch hier fleissig kommentierencen La Casa Fiesta gefunden:
1991, Tresor. Am Anfang gibt’s Westbam im Interview, dann mich, dann N- Joy – Mindflux live, dann Dimitri und Achim im Interview

Teil 2 und 3 kann man sich auch geben da kommen u.a noch Marusha, Bob Young, Kid Paul und Blake Baxter zu Wort

Tanithinterview Frontpage 95

Wie man an deiner DJ Geschichte sehen kann, gab es einige Breaks, wo du deinen Musikstil geändert hast. Oft waren deine Fans davon vor den Kopf gestoßen. Wie ist es dazu gekommen ?
Tanith: Nach einer Weile ists genug: man versucht, etwas zur Vollendung zu bringen, aber man merkt dann, daß der Musikstil nichts mehr bringt. Das war so mit den Breakcore, mit Hardcore und auch mit den Progressive-Sachen.
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Jung und naiv : Icke bei Raveline meets Frontpage, Kaue, Gelsenkirchen 1993

Komisch, an einige Interviews erinnert man sich noch ganz genau und andere vergisst man wieder ganz schnell, dieses hier gehört in erstere Kategorie, frag mich keiner warum.
Vielleicht liegt’s daran das es mein erster Gig im Ruhrgebiet war, in der Kaue Gelsenkirchen, also so einem richtigen alten, stillgelegten Kohlebergwerk. Die Fahrt da hin, mit JL, war abenteuerlich, mit Taxi vom Flughafen Köln, und ich habe ein paar Menschen dort kennen gelernt die ich bis heute kenne.
However, ich wurde dort spontan interviewed und gab genau solche Antworten ohne viel nachzudenken

Interview: Raveline ’99

Taniths musikalische Entwicklung reicht weiter zurück, als manch Raverleins gesamtes Leben. Die Ursuppe, wie Tanith sich ausdrückt, war Radiohören nach der Schule. Als Tanith dann zu Zeiten von Acid House und den Techno-Anfängen aktiv und maßgeblich an der musikalischen Entwicklung der Szene beteiligt war, hatte er sozusagen schon seine Abschlüsse in Punk, EBM und Industrial in der Tasche logisch, dass sein augenblickliches Steckenpferd Breakbeat von diesen weitreichenden Erfahrungen in Sachen “populäre Musikentwicklung der letzten fünfzehn Jahre” nicht unbeeinßusst bleiben kann. Das Ergebnis in Form seiner aktuellen Single “T.A.N.I.T H.” ist nicht zu überhören.
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Interview: Der ganz andere Sägezahn (Spex ’99)

Ein Real- Time-Veteran, der weiß, wo die Techno-Kriege am härtesten waren, wo der Speedschweiß in strömen floß, wo der Kopf noch an die Bunkerdecke stiess: Aber TANITH ist kein Teacher, bei Gott, nein!
Was waren das doch für Zeiten, als in Berlin der Techno im Kriechkeller lärmte, als die “Clubs roch Ufos waren und geheime Zugänge Türsteher überflüssig machten; und dann, als die Clubs noch Walfisch hießen, als die Afterhour noch bis zum Zenith der Mitternachtssonne dauerte und alle auf dem grünen Mittelstreifen irgendeiner Hauptverkehrsader flashten – Gott/DJ, was waren das doch für Zeiten.

TANITH: “Klar, ich würde auch gern etwas anderes erzählen, aber da sind eben Dinge passiert, die man nicht in Worte fassen kann, man war einfach eine eingeschworene Gemeinde. im Gegensatz zu Frankfurt wurde in Berlin der DJ ja noch nicht vergöttert, man hing einfach ab.
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Interview: T-Mag vs. Tanith ’97

>T-Mag: Fangen wir mal mit Deiner Vergangenheit an. Du hattest frueher mit Juergen Laarmann ein Label namens Bash Records, auf dem Du auch selbst produziert hast. Warum gibt es das Label nicht mehr? Was war damals Dein Job bei diesem Label?

>Tanith:
Das war damals mehr als Spass gedacht, es gab zu diesem Zeitpunkt(91),ausser Low Spirit und das laeuft ausser Konkurrenz, keine berliner Labels und wir wollten den Sound of Berlin in die Welt hinaus “bashen”. JL hatte dann mit der Zeit mehr und mehr mit Frontppage zu tun und ich hatte nicht gerade Lust auf den ganzen Papierscheiss der bei so einem Label halt anf‰llt. Also schlief die ganze Sache irgendwann ein. Die Jobs bei Bash waren so verteilt wie jetzt bei Timing Rec. ich mache A&R, producte und kümmerte mich um die künstlerischen Sachen wie Covergestaltung und Gesamterscheinungsbild.
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Interview: No Pills Neccessary (Frontpage ’92)

Zu Tanith muß in dieser Publikation kaum noch etwas gesagt werden, oder etwa doch? Die Dinge ändern sich und spätestens nach dem auch das letzte Medium Tanith als den “härtesten DJ blah blah” vorgestellt hatte, hatte dieser seinen Stil variiert und entsprach gar nicht mehr dem gar zu eingängigen Image des Brettkönigs. Breakbeats, dann und wann gar Pianos, wer hätte das gedacht.
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Interview: Spex Roundtable ’91

Ich habe auch die alten Interviews von der Urversion von tanith.org wiedergefunden, ich gehe mal chronologisch vor und präsentiere als erstes ein besonderes Schmankerl, ein Roundtableinterview mit der Spex von anno 91. Lustig im Nachhinein wie sich einige Positionen nach wie vor halten und sich andere wiederum geändert haben. Wolle und ich streiten uns immer noch leidenschaftlich gerne so.
Freie Abfahrt Für Freie Bürger
Die besten Wochenenden Deutschlands oder einfach nur garstiger Größenwahn? Im Vorfeld der ersten definitiven Berliner Tekkno-Compilation baten Ralf Niemczyk und Sebastian Zabel führende Aktivisten zur Expertenrunde.
Zabel: Tekkno in der “Bild am Sonntag”. Tekkno in den “Tagesthemen”. Ein Blick in die Medien und man bekommt den Eindruck, in Berlin wummert-es an jeder Ecke. Dabei existieren neben den Parties mitdem”Tresor”, dem”Planet” und dem “Walfisch” gerade mal drei Clubs. Wahn und Wirklichkeit laufen zur Zeit ja wohl etwas auseinander.
Tanith: Stimmt, ein ziemlicher Hype. Sicherlich sind die Wochenenden hier die besten in Deutschland,aber das muß man nicht wieder und wieder sagen.
Johnny: Aber wo gibt es in Westdeutschland einen Club, der sonntags von 6 bis 20 Uhr auf hat und wo Leute hingehen, die vorher 24 Stunden durchgehämmert haben? Das ist einmalig.
Laarmann: Halb Detroit war in der letzten Zeit in Berlin, Underground Resistance und Neutron9000 ausLondon wollen sogar hier wohnen. Man kann hier ein Wochenende am Stück durchfeiern.
Niemczyk:.Ihr stellt gerade einen Sampler, “Sound Of Berlin”, zusammen, der auf Tresor-Records erscheinen und von Mute international lizensiert werden soll. Dokumentiert ihr damit die “Tresor”-Szene und deren Sound oder wird die Compilation breiter angelegt?
Tanith: Der Sampler wird vor allem zeigen, dass Berlin nicht für die Proll-Variante von Techno, also”JamesBrown is dead” (von L.A. Style – Red.) oder T99 (“Anasthasia”, beide Titel hoch in den deutschen Charts) steht.
Niemczyk: Wie sieht das in harten Zahlen aus, wieviel Exemplare verkauft ein Berliner Techno-Label wie Bash von einer Platte?
Tanith: Tausend.
Zabel: Bei euren Parties ist mir aufgefallen, daß ihr oft Stücke – wie “Vortex” zum Beispiel – dort, wo sie kompliziert und interessant werden, abwürgt und in ein Wummerstück übergehen laßt.
Tanith: Das macht man vielleicht im “Space Club” (Köln) oder im “Dorian Gray” (Frankfurt), aber nicht in Berlin. Rausgehen, weil’s zu kompliziert wird, gibt’s nicht.
Reineke: Softe Sachen wie Cosmic Baby gehören genauso dazu wie die Platten vom Bash-Label.
Zabel: Wie wird das eigentlich in England und den USA aufgenommen?
Tanith: Als im “Quartier” neulich englische Gast-DJs aufgelegt haben, sind dauernd Bash-Platten gelaufen. Ich weiß gar nicht, wie die nach England gekommen sind. Oft wissen Engländer gar nicht daß Tracks, die sie gut finden, aus Berlin kommen.
Zabel: Und was verkauft sich bei “Hard Wax” am besten?
Mark: Die meistverkaufte Platte überhaupt ist die”Riot”-EP von Underground Resistance.
Niemczyk: Also Hardcore-Techno. Warum wird in Berlin gerade Techno weitergeschrieben und nicht beispielsweise Deep House?
Tanith: Weil wir in Europa sind. Es gibt zwar Anknüpfpunkte mit Detroit oder London, aber zum ersten mal entwickelt sich eine eigenständige, kontinental-europäische Popkultur.
Neugebauer: Ich glaube, daß da insgesamt ein Umbruch stattfindet, wie bei der industriellen Revolution. Das ist jetzt die elektronische, und Tekkno ist die Musik dieser Zeit, die mit Maschinen dieserzeit gemacht wird. Deswegen ist der Sound Of Berlin so erfolgreich.
Tanith: Du redest von einem Sound Of Berlin, den wir noch gar nicht haben, und meinst die Sachen, die wir außegen.
Neugebauer: Aber das ist doch der Sound Of Berlin!
Tanith:.Nein,den hörste auch in Frankfurt.
Neugebauer: Aber hier hat es angefangen!
Tanith: Den Sound Of Berlin muß man durch die Produkte, die hier entstanden sind, definieren, nicht durch Produkte, die hier aufgelegt werden.
Neugebauer: Der DJ ist der Künstler, der aus den Sachen, die er außegt, den Sound der Stadt kreiert.
Tanith: Ach Gott, du nimmst Sachen, die von woanders her kommen und mixt die miteinander..
Neugebauer: Und das ist dann dein Sound!
Tanith: Das ist schön postmodern definiert, trifft auf mich aber nicht zu. Für mich ist der Sound Of Berlin das, was hier auf B.U.G., Bash oder Delkom erscheint.
Niemczyk: Alle Popkulturen gehen nebeneinander weiter, Rock und Reggae gehen auch immer neue Schritte – wie verhält sich Techno dazu: Steht das nebeneinander oder könnte sich einer von euch vorstellen, eine Platte mit Nirvana aufzunehmen?
Tanith: Das ist nicht unser Spirit-, unsere Musik hat nicht das Geringste mit Rock zu tun.
Niemczyk. Ist Tekkno nicht nur Rock mit anderen Mitteln?
Neugebauer. Tekkno ist die Musik, die Rock’n’Roll endlich zu Geschichte werden läßt.
Tanith: Wie Dinosaurier sterben halt auch Musikstile aus, wenn sie nicht mehr in die Zeit passen.
Niemczyk: Aussterben tun sie ja nicht. Gerade von der Massenakzeptanz her, hat Genesis oder Guns’n’Roses eine viel größere Bedeutung.
Johnny: Das kannste doch nicht vergleichen!
Neugebauer: Rock ist reaktionär. Leute, die heute Rockmusik hören, sind reaktionär, leben in der Vergangenheit. Tekkno beendet diese Zeit endgültig.
Zabel: Hat denn Tekkno strukturell nicht mehr mit Underground-Rock als mit traditionellem Danceßoor zu tun?
Tanith: Das läßt sich so nicht definieren. Ich habe mit Rock nichts zu tun, Techno auch nicht. Das findet nicht mehr auf der Bühne statt, da stehen keine Jungs mit ‘nem Schwanzersatz namens Gitarre, höchstens mal ein Rapper.
Roland. Das ist eine ganz andere Herangehensweise an Musik, das hat mit der Hi-Tech-Entwicklung zutun, jedes Schulkind kann sowas machen, das ist wie Punk.
Tanith: Tekkno ist absolut primitiv und absolut Hi-Tech.
Zabel: Der “Völkische Beobachter” der Szene, steigert sich in einen immer absurderen Größenwahn, wenn es um Berlin und Tekkno geht.
Niemczyk: Da betreibt ihr Sinnstiftung, wo es überhaupt nicht nötig ist. Auch bei Riesenevents wie der”LoveParade”oder jetzt “Mayday” schwelgt ihr verbal und überhaupt in Superlativen. Warum müssen 17 Acts und DJs bei einer Veranstaltung auftreten und warum muß man immer damit rumprotzen, der und das sei das absoluteste, genialste je da gewesene?
Laarmann: “Mayday” wird halt von einer unglaublich breiten Masse getragen. Die Riesenparty ist eine Konzession an alle, die sich engagieren und mitfeiern wollen, da kommen halt viele zusammen, das kann man nur noch in einem großen Rahmen machen. Von außen betrachtet, sieht das vielleicht nach einem Rip-Off aus…
Zabel: Eher nach einem Reichsparteitag…
Neugebauer: Was die Sache so erfolgreich gemacht hat, ist, daß die Macher dazugehören.
Zabel: In Manchester hat es ja auch jahrelange in ähnlich euphorische situation gegeben,bis es von den Medien bemerkt und gehypt wurde, Bei euch wirken Partyankündigungen immer wie Marktgeschrei.
Tanith: Da gebe ich dir recht, ich finde diese Texte auch peinlich.
Niemczyk.: “Mayday” kommt mir wie eine blöde Nivellierung vor, nur noch Spektakel!
Laarmann: Klar, gerade SPEX steht doch dem Phänomen Tekkno fassungslos gegenüber, wie groß das innerhalb eines Jahres geworden ist. Tekkno wurde von Anfang an von einem breiten Underground getragen, der wird eben immer breiter.
Tanith: Jetzt übersiehst Du aber dass diese Superlativ-Huberei scheiße ist, weil sie viel kaputt macht. Wie willst du denn in totale Ekstase kommen, wenn du alle 15 Minuten mit ‘nem Break rechnen mußt? Das passiert bei “Mayday” und leider inzwischen auch bei “Tekknozid.
Neugebauer: Die Acts sind Teil des Konzepts und die Leute tanzen trotzdem weiter, nicht wie bei einem langweiligen Rock-Theater.
Tanith: Techno-House ist aber für DJs gemacht und nicht für Liveauftritte. Das hat doch wieder genau diesen Rock-Charakter. Die bringen Geld, das ist doch im Grunde alles.
Niemczyk: Uwe, du mußt doch in einem Rock-Betrieb wie EfA eine neue Sache durchsetzen. Lohnt das Engagement eigentlich?
Reineke: Das ist halt alles sehr schnelllebig. Da muß man höllisch aufpassen, daß man sich nicht verkalkuliert.
Mark: Als kleiner Laden kommt man auf jeden Fall mit der Entwicklung mit, aber nur, wenn die Leute, die so einen Laden führen, auch in der Szene drinstecken. Das schöne an dieser Musik ist, daß sie so wenig Greiffläche für die Industrie bietet. Es bleibt die Ausnahme, daß ein Act mehr als zwei gute Tracks rausbringt, das kann eine Plattenfirma nicht vermarkten. Alles ändert sich so schnell…
Reineke: Es gibt leider viele Veröffentlichungen, die sind sowas von schlecht…
Laarmann: Eine gute Sache zieht halt allerlei nach sich. Es hat dieses Jahr einen Hype gegeben, der via SPEX und Zabel legitimiert wurde, einen Rechtschreibfehler mit zwei k. Inzwischen gibt es 1000 nachgemachte T99s, worauf Manta-Friseusen tanzen. Jetzt muß qualitativ neu nachgedacht werden.
Zabel: Ihr habt da ein Baby auf die Welt gebracht und das wächst euch über den Kopf. Jede Dorf -Disco hat ihren Tekkno Abend, der natürlich ganz anders aussieht als im “Tresor” oder “Planet”.
Johnny: Ich verstehe nicht, warum ihr euch immer an den Äußerungsformen aufhängt. Für mich sind Massenparties, “Stern” und “Tagesthemen” nur Randerscheinungen, irgendwelche großkotzigen Plakate für “Mayday” uninteressant. Ihr seid doch eine Underground-Zeitung, warum interessiert ihr euch nicht für das, was wirklich zählt, daß sich hier eine neue Kultur entwickelt hat?
Zabel: Es existiert nun mal ein Bild nach außen und das habt ihr mitzuverantworten.
Johnny: Wer stellt denn die Szene dar? Das machen doch Leute wie ihr!
Laarmann: Gerade du, Sebastian, du hattest schließlich ziemliche Vorbehalte gegen die “Love Parade”, dabei war die Party, die dann abgegangen ist, vollkommen ok, und ich hatte sogar den Eindruck, dass selbst du dich ganz gut amüsiert hast. Und daß Veranstaltungen wie “Tekknozid” oder “Mayday” gewissen Promotion-Gesetzen unterliegen, ist doch klar.
Zabel: Das bestreite ich, diese “Gesetze” braucht ihr nicht zu befolgen.
Niemczyk: Auf diese Weise gehen alle Differenzierungen verloren, alles ist nur noch supergeilneuwow. Große Massen von Leuten können doch nicht das Maß aller Dinge sein.
Roland: Solange die Qualität nicht leidet, ist mir alles recht. Kritisch wird es erst, wenn man wegen der Größe Kompromisse machen muß. Dann ist die Sache vorbei.
Laarmann: Wieso sollen die TechnoHouse-Aktivisten denn nicht offensiv auftreten?
Tanith:Weil du den ganzen pseudo-ideologischen Überbau bei der Sache nicht brauchst.
Zabel: Trotzdem entwickelt ihr einen. An Techno hat mir immer gefallen, daß der Künstler in den Hintergrund tritt und Platten nur noch nach dem Sound, den man gerade bei “Hard Wax” oder sonstwo hört, gekauft werden. Das Aufbauen von Stars und das Sich-unterwerfen unter die üblichen Marktmechanismen wird überwunden. Ich finde es kontrarevolutionär, wenn man nun doch wieder in alte Mechanismen verfällt.
Laarmann: Das einzige Kriterium ist nachwievor die Musik. Aber wennTricky Disco eine gute Platte machen, dann sollen die auch in die Medien kommen. Startum gibt es schon deshalb nicht, weil sie mit der ersten schlechten Platte wieder raus sind.
Niemczyk. Reicht denn die Bandbreite eurer Musik, damit man sich überhaupt noch lange genug damit beschäftigt? Ihr meckert immer über Rock, aber bewegt euch schon nach nicht mal 18 Monaten in Stereotypen.
Tanith: Genau das Gegenteil ist richtig. Früher hatten alle DJs mehr oder weniger die gleichen Platten, und jeder dachte: “Hoffentlich nimmt der mir den Hit nicht weg! ” Mittlerweile hat jeder ein eigenes Set. Ohne Absprache trampeln wir uns nicht auf die Füße. Du kannst heute jeden DJ an seinem Sound erkennen. Da stehen nämlich Persönlichkeiten hinter den Plattenspielern und keine Dorfdeppen, die meinen, mit fünf Platten wären sie dabei. In Berlin gibt es das Spektrum von Kid Paul, also soft/englisch, bis Tanith, europäisch/hardcore.
Zabel: Wobei letzteres eindeutig dominiert.
Tanith: Da seid ihr wieder auf dem vorletzten Stand. Im Moment spiele sogar ich ab und zu softe Sachen, sogar mal ein Piano-Break, was ich früher immer gehaßt habe. Die Leute wissen schon, was sie hören wollen, und Techno läuft. Am Wochenende waren 3000 Leute in Leipzig, als Marusha aufgelegt hat. Das ist längst kein Berlin-Phänomen mehr.
Niemczyk: Bei den Riesen-Raves in England waren 30.000, und das hat sich trotzdem in Luft aufgelöst.
Zabel: Was macht ihr, wenn der Rausch vorbei ist?
Tanith: Dann mach’ ich halt was anderes.
Niemczyk. Gerade im Rock-Underground hat sich gezeigt, daß man da so einfach nicht wieder rauskommt. Da hängen ietzt viele Ernüchterlinge ab.
Laarmann: Hier ist alles furchtbar schnell, und deshalb kann keiner Tekkno als Lebensexistenz sehen. Aber da hat Tekkno gegenüber der Rockmusik auch einen entscheidenden Vorteil. Man wird mit den elektronischen Produktionsmitteln die Musik immer weiter abstrahieren. Gitarre und Trommel sind dagegen ausgeschöpft. Das ist ein absterbendes Genre.
Niemczyk: Von Absterben kann wohl keine Rede sein…
Laarmann: Naja, die verkaufen zwar noch, aber die leben in der Vergangenheit.
Tanith: Techno ist nur der Anfang. Das ist zum ersten Mal eine rein elektronische Musik, die nicht nur von Kopf- und Kunstmenschen akzeptiert wird. Dabei mußte niemand zuerst Hörgewohnheiten ändern, das ging von ganz allein .Man kann darauf tanzen, die Frequenzen funktionieren von selbst. Trotzdem würde ich nicht so großspurig von neuer Epoche reden. Monika Dietel hat geschrieben, wir hätten damals so doll getanzt, daß die Mauer davon eingestürzt wäre – so’n Schwachsinn! Wieviele interessieren sich wirklich ernsthaft für Musik? Das sind nicht viele, das sieht man an den Plattenverkäufen. Die meisten wollen einfach ‘ne gute Abfahrt haben.
Neugebauer: Da widerspreche ich dir! Wir stecken in einer Umbruchphase, die eine kulturelle Revolution mit sich bringt, das war mit dem Fall der Mauer so, wo wir schnell eine Grenze erreicht hatten, aber jetzt sehe ich Techno in diesem Kontext. Techno ist Kultur, und wenn man das bestreitet…
Tanith: Dann geh doch zum Senat und beantrag’ Kulturgeld!
Neugebauer: Darum geht’s doch nicht…
Tanith: Ich will mit Kultur nix zu tun haben. Diese Musik richtet sich gegen etablierte Kultur. Kultur ist wieder so’n Mäntelchen: Seht mal, wir machen auch Kunst! Mir ist das scheißegal.
Niemczyk: Was ist eigentlich mit deiner 180bpm-Theorie, daß alles nur noch immer schneller werden könne?
Tanith: Ich wollte damit nur sagen, daß es keine Grenze gibt.
Niemczyk: Physikalisch schon.
Tanith: Das war zu einem Zeitpunkt gesagt, wo alle meinten “Huch, was wird die Musik schnell!” Aber das kann man noch viel weiter treiben.
Zabel: Es gibt ja auch immer eine Parallelität der Progressivität, weich, laut, leise, schnell, superlangsam…
Tanith: Man kann aber beobachten, daß die Musik seit den 60ern immer wilder und härter wurde.
Zabel: Das stimmt absolut nicht. Nimm nurmal HipHop ,da gibt es immer wieder Umkehrungen und Parallelentwicklungen, die nichts miteinander zu tun haben, wie PM Dawn und Public Enemy, und trotzdem progressiv sind.
Tanith: Ok, aber die Popmusik der letzten Jahrzehnte, von den Stones über Metal und Funk, das hat sich immer weiter hochgeschraubt.
Zabel: Aber es gab immer wieder Wendungen im Pop, da gab es keine Kontinuität.
Neugebauer: Wie ihr im Westen immer solche Worte gebraucht- auch “Kultur” klingt hier immer ganz anders, das ist mißbraucht worden.
Tanith: Ich will mich halt nicht in den Kulturbetrieb einreihen, wie bei so’nem Scheiß-Senats-Rock-Wettbewerb…
Neugebauer: Darum geht’s nicht, aber Techno hat als Kulturform mit unserem Leben hier zu tun, ist Ausdruck unseres Denkens und Fühlens, unserer Zeit.
Tanith: Meinst du nicht, daß du etwas Größenwahnsinnig geworden bist? Du hast in Berlin 4Millionen Leute und 3000 tanzen auf deinen Parties, da redest du von Ausdruck unserer Zeit und allgemeinem Lebensgefühl!
Neugebauer: Dadaismus war auch nur ‘ne Sache von vielleicht 500 Menschen und trotzdem hat es was ausgelöst.
Tanith: Aber es hat doch niemanden und keinen Lebensstil außerhalb dieses Kreises wirklich verändert!
Neugebauer: Aber es war Ausdruck dieser Zeit!
Tanith: Du machst’ne Party für 3000 Leute und glaubst, du hättest ganz Berlin auf’n Kopp gestellt…
Neugebauer: Ich sage damit, dass wir den Nerv der Leute treffen!
Tanith: Den Nerv von DREITAUSEND aus 4 Millionen!
Niemczyk: Warum funktioniert das eigentlich auch im Osten? Ihr bekommt das jetzt so hammermäßig als erste freie Jugendkultur verpaßt.
Neugebauer. Das Wesentliche war daß Tanzen zum ersten Mal nicht mit SchickiMicki im Zusammenhang stand, sondern Ausdruck eines Lebensgefühls sein konnte. Es gab Parties, wo Frauen mit Pumps und Blüschen kamen und die dann irgendwann am Rand der Tanzßäche lagen. Es gab ja vorher nur öd eDiscos. Der Erfolg von “Tekknozid” hat damit zu tun. Da kamen nicht nur Macho-Typen, um Hennen aufzuspießen.
Zabel: Aber das Lebensgefühl wird bei Techno nur über Musik transportiert, es gibt kaum Worte.
Tanith: Die Sprache wird ganz anders eingesetzt, sie wird zersamplet. Es gibt Signale wie “Scream! Mir sind Sachen lieber die völlig abstrakt bleiben. Mit Acid verschwand die Sprache zum erstenmal. Dahinter will ich nicht zurück.
Zabel: Gibt es denn Inhalte?
Tanith: Nö. Ein Feeling. Da kann jeder seine persönliche Abfahrt haben. Es wird nicht gesagt, an was du bei der Musik zu denken hast. Selbst die Atmosphäre, die diese Musik erzeugt, ist nicht eindeutig, nicht nur duster oder nett oder ekstatisch. Sie bleibt unkonkret und persönlich.
Zabel: Vor einem halben Jahr sprach jeder noch von dem totalen Brett – wohin entwickelt sich Tekkno heute?
Tanith: Auflösung von Strukturen. Ich wünsche mir neue Instrumente. Mit dem jetzigen Instrumentarium, Synthesizer, Sampler und so, hast du keinen direkten Eingriff. Ich könnte mir Cyberspace Instrumente vorstellen, mit denen du Sounds tatsächlich bewegst, mit denen du Bewegungen in Töne umsetzt.
Zabel: Und wenn irgendwann mal keine Dancemusic mehr dabei rauskommt?
Tanith: Das passiert ab und zu jetzt schon. Letzte Woche hab’ ich eine Platte absolut schnell gedreht, von Null immer schneller, bis nur noch hohe Töne zu hören waren, und die dann rüber auf die andere Platte gezogen. Ich hab’ Sachen, die untanzbar sind, der Frequenzton der neuen Underground Resistance zum Beispiel. Den spiele ich manchmal. Mit digitalen Tönen kann man einfach viel mehr machen als mit Gitarren.